Die Berliner Akademie und ihre Leitung in drei Jahrhunderten

Die Berliner Akademie ist seit mehr als drei Jahrhunderten ein Ort der wissenschaftlichen Forschung, ein Zentrum der Kommunikation von Gelehrten, Wissenschaftlern und Intellektuellen über Fächergrenzen hinweg sowie eine Stelle der Vermittlung zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Sie war immer ein Kind ihrer Zeit und wandelte sich mit ihr. Das bildete sich in ihrer Leitungsstruktur ab wie auch in den Männern, die ihr vorstanden und die in dieser Ausstellung dokumentiert werden.

Gegründet wurde sie 1700 vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. – ab 1701 König Friedrich I. in Preußen – als Kurfürstlich Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften, unter dem maßgeblichen Einfluss des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, der als ihr erster Präsident bis 1716 amtierte. In vier Abteilungen förderte sie die Naturwissenschaften und die Mathematik, aber auch Sprache, Literatur und Geschichte.

Zu ihren Aufgaben gehörten der Betrieb einer Sternwarte, medizinisch-chemische Forschungen und die Pflege von Sammlungen. Sie bemühte sich um Gelehrsamkeit und Nützlichkeit zugleich. Das band sie eng an die Politik der preußischen Könige und ihrer Beamten. Besonders der philosophisch und wissenschaftlich interessierte König Friedrich II. – der Große – griff regelmäßig in die inneren Verhältnisse der Akademie ein und gestaltete sie nach französischem Vorbild um. Die Funktion des Präsidenten nahmen unter anderen der Oberzeremonienmeister am Hofe, Jakob Paul Freiherr von Gundling (1718–1731), und der königliche Hofnarr David Fassmann (1731) wahr, aber immer wieder auch große europäische Gelehrte wie die Mathematiker Pierre-Louis Moreau de Maupertuis (1746–1759) und Leonhard Euler (1753–1766). Nicht immer hatte die Akademie einen Präsidenten. Zeitweise wurde sie von vier auf Lebenszeit gewählten Direktoren und 1786–1795 vom Kurator Ewald Friedrich Graf von Hertzberg in enger Verbindung zum königlichen Hof geleitet. Von den Obrigkeiten gegängelt, trug die Akademie gleichwohl dazu bei, dass Berlin zu einem Hauptort der europäischen Aufklärung wurde.

Im 19. Jahrhundert geriet die Akademie, die seit 1812 Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften hieß, in den Schatten der 1810 neu gegründeten Berliner Universität. An sie trat die Akademie ihre Forschungseinrichtungen ab, mit ihr entwickelte sie aber auch eine neue, fruchtbare Symbiose. Die meisten der bis 1881 maximal 50, bis 1914 maximal 70 Ordentlichen Akademiemitglieder waren zugleich Professoren der Universität. Die Akademie wurde primär zu einer Gelehrtengesellschaft, doch betrieb sie auch bahnbrechende langfristige Forschungsprojekte vor allem in den Geisteswissenschaften, die teilweise heute noch bestehen: zum Beispiel die Sammlung und Edition griechischer Inschriften seit 1815 und das Wörterbuch der ägyptischen Sprache seit 1897. Sie organisierte die wissenschaftlichen Disziplinen seit 1830 in zwei gleich starken Klassen, der Philosophisch-historischen und der Physikalisch-mathematischen. Deren Sprecher (Sekretare) – für jede Klasse zwei – leiteten von nun an bis 1938 die Akademie, wobei sie sich im Vorsitz und in der Geschäftsführung abwechselten. Einflussreiche Vorsitzende Sekretare waren beispielsweise Friedrich Schleiermacher (1815–1834), Johann Franz Encke (1825–1863), August Böckh (1834–1861), Emil du Bois-Reymond (1867–1895), Theodor Mommsen (1874–1895), Hermann Diels (1895–1920), Gustav Roethe (1911–1926), Max Planck (1912–1938) und Ernst Heymann (1926–1938).

Im Kaiserreich (1871–1918) war die Berliner Akademie eine zentrale Institution, die die Wissenschaften gegenüber Staat und Gesellschaft repräsentierte. Umgekehrt schmückte sich Preußen als „Kulturstaat“ gern mit seiner Akademie. Die ausgeprägte Nähe von Akademie und Staat lockerte sich in der Weimarer Republik (1919–1933), in der die Akademie gegenüber Universitäten und anderen Wissenschaftseinrichtungen an Bedeutung verlor. Die nationalsozialistische Diktatur (1933–1945) zielte auf politische Gleichschaltung der wissenschaftlichen Einrichtungen. Die Akademie sicherte sich verbleibende Spielräume für ihre wissenschaftliche Alltagsarbeit, indem sie sich in zentralen wissenschaftspolitischen Fragen dem Regime anpasste. Dazu gehörte der Ausschluss ihrer „nichtarischen“ Mitglieder und Mitarbeiter. Nicht nur ihre wissenschaftliche, sondern auch ihre moralische Substanz nahm dadurch Schaden. 1938 führte die nationalsozialistische Regierung in der Akademie das Führerprinzip ein. Bis zu seinem Rücktritt 1943 leitete, von staatlicher Seite eingesetzt, der Mathematiker Theodor Vahlen die Akademie. Er konnte Entscheidungen allein treffen.

1946 wurde die im Ostteil der Stadt residierende Akademie mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht als Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin wieder eröffnet. Die DDR (1949–1990) baute sie, seit 1972 unter dem Namen Akademie der Wissenschaften der DDR, zu einer umfassenden Forschungsorganisation aus, die zwar weiterhin als Gelehrtengesellschaft fungierte, aber gleichzeitig zahlreiche wissenschaftliche Institute beherbergte und leitete. 1989 zählte sie 155 Ordentliche Mitglieder und 59 wissenschaftliche Einrichtungen mit circa 24.000 Mitarbeitern. Zunehmend wurde sie durch Staat und Staatspartei dirigiert, den Grundsätzen marxistisch-leninistischer Ideologie angepasst und personell entsprechend zusammengesetzt – bis hin zum Ausschluss politisch unliebsam gewordener Mitglieder wie Ernst Bloch 1961 und Robert Havemann 1966. Die nunmehr von den Mitgliedern gewählten Präsidenten, wie die klassischen Philologen Johannes Stroux (1945–1951) und Werner Hartke (1958 –1968) oder der Mediziner Werner Scheler (1978 –1990), steuerten einen Kurs, der grundsätzliche Anpassung an die politischen Vorgaben der SED-Diktatur mit der Förderung wissenschaftlicher Arbeit im Alltag der Akademie verband. Ausmaß und Wirkung der politischen Gängelung variierten stark zwischen den Disziplinen. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die DDR-Akademie aufgelöst, ihr letzter Präsident war der Mediziner Horst Klinkmann (1990–1992).

1987 war im Westteil der Stadt die Akademie der Wissenschaften zu Berlin gegründet worden, die unter ihrem Präsidenten, dem Ökonomen Horst Albach, das alternative Modell einer Arbeitsakademie ohne Klassen praktizierte und sich bis zu ihrer Auflösung durch den Berliner Senat 1990 der Erforschung dringender Gegenwartsprobleme mit Öffentlichkeitsbezug widmete.

1992/93 konstituierte sich die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vormals Preußische Akademie der Wissenschaften) mit fünf Klassen und maximal 200 Ordentlichen Mitgliedern neu. Sie nahm ältere Traditionen ebenso auf wie auch solche der Westberliner Neugründung von 1987. Sie versteht sich als Arbeitsakademie, die interdisziplinäre Forschung betreibt, die meist geisteswissenschaftlichen Langzeitvorhaben betreut und sich der Gesellschafts- und Politikberatung widmet. Als Akademiepräsidenten wählten die Mitglieder 1993 den Zoologen Hubert Markl, 1995 den Rechtswissenschaftler Dieter Simon, 2005 den Physiologen Günter Stock und 2015 den Mathematiker Martin Grötschel.

 

Die Berliner Akademie der Wissenschaften hieß seit:

11.07.1700
Kurfürstlich Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften

 

18.01.1701
Königlich Preußische Sozietät der Wissenschaften

 

24.01.1744
Königliche Akademie der Wissenschaften
(vereinigt mit der 1743 gegründeten Société Littéraire)

 

10.05.1746
Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres

 

24.01.1812
Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin
(gebräuchlich bereits seit der Wende zum 19. Jahrhundert)

 

28.11.1918
Preußische Akademie der Wissenschaften

 

20.12.1945
Akademie der Wissenschaften zu Berlin

 

01.07.1946
Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin

 

07.10.1972
Akademie der Wissenschaften der DDR

 

23.03.1987–31.12.1990
Akademie der Wissenschaften zu Berlin (West)

 

01.08.1992
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(vormals Preußische Akademie der Wissenschaften)